Die Botschaft des Dilemmas

Dani und Karina waren gestern noch im Krankenhaus, um die verletzte Hand von Karina abzuklären, die im Laufe des Tages immer schmerzhafter wurde. Spätabends waren sie zurück, mit ganz furchtbaren Nachrichten: Komplizierter Bruch, Karina muss so schnell wie möglich nach Hause um sich operieren zu lassen. Dementsprechend betroffen waren wir beim Frühstück heute morgen alle, als wir gemeinsam versuchten, die Rückreise zu organisieren, was sich mit dem schwachen WLAN etwas schwierig gestaltete. Ich konnte etwas mit meiner SIMkarte und meinem Handy aushelfen, auf dem Weg zum Farmausgang, da wo der Hahn wohnt, hatte ich sogar Empfang. Gerne hätte ich mehr getan. Wie sinnfrei es momentan erscheint, so eine lange Reise anzutreten, um sie dann unter diesen Umständen so viel zu früh abzubrechen. Man kann sich nur versuchen, mit dem Gedanken zu trösten, daß das Leben vorwärts gelebt, aber rückwärts verstanden wird. Irgendwo in dem Dilemma ist eine Botschaft versteckt. Welche auch immer. Ich hoffe sie wird gefunden und kann dann helfen, das große Ganze zusammen zu setzen. Meine ganz persönlichen, schlimmsten Erlebnisse möchte ich heute nicht mehr missen, weil sie im Nachhinein betrachtet, zwingend notwendig waren, um mich heute genau so, nach genau hier zu bringen. 

Den Leerlauf, der entstand bis wir dann zu den ersten Pferden los sind, habe ich genutzt um meinen alten Freund, den Baumschaukelbaum zu besuchen. Meine Krafttankstelle für mein inneres Kind auf der Farm. Schnuffi (die meisten kennen ihn) durfte andocken, herum klettern, und sich auf den breiten, starken Ästen ausruhen, während ich unter dem Schatten lag und die Einsamkeit genoss. 
Danach ging es zu der 6er Gruppe, Lakidas Verletzung zwischen den Hinterbeinen versorgen, die wir gestern entdeckt haben. Jenny, das australische Urgestein aus der Nachbarschaft hatte einen Blick drauf geworfen und befunden, daß das problemlos selbst zu behandeln ist. Und weil Lakida ein so lieber Schatz ist, hat sie sich das anstandslos gefallen lassen. Annika hielt den Kopf, ich ein Hinterbein, und Angelika hantierte im Brennpunkt und hat die Wunde versorgt. Danach kam der große Moment: Zircon sollte schon mal ein Füßchen heben, um ihm später, bestenfalls noch vor Abreise, noch die Hufe bearbeiten zu können. Großer Moment, weil Zircon etwas… sagen wir grenzunsicher, war… Als ich im Februar privat hier war, haben wir von einer ersten Hufbearbeitung noch abgesehen, weil er da wohl schon auch sehr übergriffig war. Mein erster Eindruck hier auf unserem gemeinsamen ersten Rundgang von ihm war auch sehr beeindruckend. Er stand nicht nur direkt auf meinen Füßen zur Begrüßung, er hat sogar zur Hälfte meinen Körper passiert… sehr unangenehm. Aber nach zwei, drei mal Grenze aufzeigen war er schon sehr geschmeidig. Wirklich besorgt war ich nicht, anzufangen, das Füße heben mit ihm zu üben. Vielleicht würde er wohl etwas bockig sein und mal versuchen mir in den Hintern zu zwicken, wenn ich ihm den schon so provokativ beim Bücken vor die Nase strecke… daß er sich aufwendig wehrt, dafür ist er wohl zu sehr Ökonom… :D Also kurz Pony angespielt und dann in den Schatten für die Füße. Völlig unvoreingenommen bücke ich mich also um anzufangen ihm ans Röhrbein zu klopfen, mit der Hoffnung, daß alle genug Zeit haben um notfalls bis in den späten Abend auf die richtige Reaktion vom Pony zu warten.  Klopf, klopf, ZACK!!! Beinchen oben!!! Und Beinchen blieb oben, mit der Gelassenheit eines alten Routiniers. Also hab ich den Huf auch gleich ganz normal bearbeitet. Ist ja kein Kindergarten hier… :D Zweites Vorderbeinchen genauso. Hinten wie immer erstmal etwas hakeln bis die Aufgabe verstanden ist, und die Aufgabe ist verstanden sobald man anfängt am Huf rum zu wirken. Wenn man den aufgehobenen Huf nur anbetet, ist es dem Pferd unangenehm und die Erwartungshaltung groß. Raspelt man gleich drauf los und schaut während dessen, was zu tun ist, ist alles ok und Pony wartet bis man fertig ist. Wieder einmal unglaublich, was alles geht und wie bereitwillig die Ponys uns vertrauen und das alles einfach mit sich machen lassen. Während dessen hab ich so manch vergangene Kundschaft im Ohr: „Maxi/Paula/Susi/Fred usw sind erst soundso viel Jahre alt, der/die ist noch nicht richtig ausbalanciert und kann noch nicht so gut stehen... hmmmm, ist klar… Zircon ist eineinhalb Jahre alt, hatte minimalsten Menschenkontakt und bekam zum allerersten Mal in seinem Leben die Füße gemacht. Er war ausbalanciert. Im Kopf. Da, wo die meisten die Balanceprobleme zu Hause haben: Im Kopf. Die Balance zwischen Vertrauen, Respekt und Gefühl, die letztendlich den freiwilligen und gern gegebenen Gehorsam ergeben. Wieder einmal hat Zircon gezeigt, welch (unbeabsichtigter) immenser Trainingsaufwand von Nöten ist, um ein Pferd irgendwann nach vielen, vielen Enttäuschungen endlich gegen sich aufzubringen. Und wie einfach und leicht der Weg eigentlich ist, wenn man es schafft, seinem Pferd ein kongruenter, kompetenter und gefühlvoller Lehrer zu sein. 
Heut Nachmittag, wenn es etwas kühler ist, werden wir Lumina und die anderen zwei besuchen. Ich freue mich schon ganz arg auf die wilde Stute und bin gespannt, ob sie mir heute wieder folgen wird. Wie gern würde ich ihr zeigen, wie toll meine Fingernägel ihren übel juckenden Pelz kratzen können…

Barbara

Kommentar schreiben

Kommentare: 2
  • #1

    Simone (Donnerstag, 17 November 2016 06:40)

    Vielen Dank, dass ihr uns teilhaben lasst! Freuen uns schon auf weitere Bilder. Winterliche Grüße aus Deutschland.

  • #2

    Heike (Donnerstag, 17 November 2016 07:44)

    Barbara, du bist der Hammer! Deine Art die Dinge zu beschreiben, ich liebe es! :-)

    Karina wünsche ich unbekannter Weise alles Gute und schnelle Genesung, wenn sie dann Zuhause ist... Jetzt fühlt es sich scheiße an, aber irgendwann wirst du wissen warum es passieren musste...

    Freue mich jeden Tag auf neue Geschichten von euch!